Auszüge aus der Broschüre, verfasst von Prof. Dr. Gerd Habermann.

Vorbemerkungen

Regelmäßig hören wir bei liberalisierenden Reformmaßnahmen oder der Kürzung von staatlichen Sozialleistungen den Aufschrei des sozialkonservativen Lagers: dies sei ein Akt der Gefühllosigkeit und „sozialen Kälte“. Dem klassischen Liberalismus wie dem Kapitalismus wird vorgehalten, dass seine Ansichten und Konzepte sich durch Gleichgültigkeit gegen das eigentlich Humane, besonders gegen die „sozial Schwachen“ auszeichne. Namentlich ihre Verherrlichung des „darwinistischen“ Wettbewerbsprinzips, ihre Akzeptanz ungleicher Vermögensverhältnisse und Lebenschancen, ja ihre Hochschätzung der Ungleichheit und der Differenz an sich, verbunden mit einer Minderschätzung der Unterlegenen, ließen fehlende Empathie mit den weniger Glücklichen erkennen.

Teil 1: Der Kapitalismus – ein sozial kaltes Monster?

Begrifflichkeiten:

Kapitalismus ist ein institutionelles Arrangement, das individuelle Freiheit, privates Eigentum, Subsidiarität und mit alldem Wettbewerb voraussetzt wie sichert.

Soziale Wärme kann nur zwischen kleinen Gruppen von Menschen existieren. Die sozialen Temperautrgrade nehmen ab je weiter eine Gruppe vom Individuum entfernt ist (z.B. westliche Wertegemeinschaft).

Der Kapitalismus ist weder kalt noch warm, jedoch lässt er Raum für soziale Wärme.

Seine (Anm. Kapitalismus) Leistung ist, dass heute so viele Menschen nicht nur schlechthin existieren, sondern, zumindest in Ländern mit wirtschaftlicher Freiheit, so komfortabel leben können wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte, darunter auch die vielen, die sich über dieses Tauschsystem wegen seiner angeblichen Kälte und Ungerechtigkeit beklagen.

Von der Vergesellschaftung zur Vergemeinschaftung

Die dynamisierende Erfolgsformel des Kapitalismus: Aus unternehmerischem Vorteil wird allgeimer Nutzen, aus „egoistischem“ Gewinnstreben das Gemeinwohl.

St. Martin teilt den Mantel mit dem Bettler – dies ist zur Linderung akuter Not immer geboten, aber es überwindet das Armutsprobelm nicht. Ein Heiliger mehr, aber kein Bettler weniger!

Hayek schrieb einmal, das griechische Wort für tauschen – „katallaktein“ – bedeute auch: aus einem Feind einen Freund machen.

Soziale Wärme in Zeiten des Hochkapitalismus

Wir leben heute nicht mehr im Zeitalter des „Hochkapitalismus“, sondern eher eines demokratischen Wohlfahrtsstaates, der den Markt – die Henne, welche die Eier der Umverteilung legen soll – bei Staatsquoten zwischen 40% und 80% und einem Zugriff auf das Individualeinkommen von in Deutschland über 50% sowie kaum übersehbaren Regulierungen auf allen Ebenen fast in der ganzen westlichen Welt gerade noch duldet.

In der „sozialistischen“ Marktwirtschaft ist die dominierende Ethik nicht die der Selbsthilfe, nicht die der gegenseitigen Hilfe, sondern die der sozialen Gerechtigkeit, d.h. praktisch der Staatshilfe in fast allen privaten Lebenslagen.

Der Kapitalismus – der befreite „kleine Mann“ und die Unternehmer – haben Armut als Massenerscheinung überwunden.

Eigeninitiative, kollektive Selbsthilfe, private Fremdhilfe

Schulze-Delitzsch: Wenn die persönliche Kraft eines isolierten Einzelnen nicht ausreiche, so kann sich aus der Vereinigung vieler kleiner Kräfte eine „Großkraft“ ergeben.

Es ist klar, dass die Mittel umso reichlicher fließen konnten, je reicher die Gesellschaft war. Je mehr Kapitalismus, umso mehr private Wohltätigkeit.

Teil 2: Zur sozialen Wärme des Wohlfahrtsstaates und des Sozialismus

Max Weber: Ein Staat ist ein professioneller Herrschafts- oder Zwangsapparat mit territorialem Monopol.

Der Staat wird immer von einzelnen Personen dargestellt, aber ist … selber keine Person, kann slo keine Gefühle haben.

Man muss diesen Apparat (Anm.: Staat) unterscheiden von der politischen Gemeinschaft (Volk, Nation), dem er dienen soll.

Was aus freier Solidarität, Gemeinschaft und Eigeninitiative wird

Bertrand de Jouvenel: „Wir erleben heute die Folgen eines oberflächlichen Denkens, das im gesamten Sozialmechanismus nur Elementarteile anerkennen will, die Individuen, und ein Zentralressort, den Staat; das alles andere vernachlässigen und die Rolle der geistigen und gesellschaftlichen Autoritäten leugen will.“ (1962)

Diese in Gang gesetzte oder schon vollendete Zerstörung der spontanen Institutionen der Zivilgesellschaft und des Marktes betrifft auch Selbsthilfeeinrichtungen wie die Privatversicherung, die Genossenschaften aller Art, Sozial- und Kulturvereine, die berufsständischen und kirchlichen Einrichtungen usw.

Das staatliche Sozialmonopol und der „Staatsindividualismus“

Das Ergebnis von alldem ist die zunehmende Monopolisierung der Sozialinitiative beim Staat: Was er gewonnen hat, hat die Gesellschaft, haben die Gemeinschaften und der Markt verloren. Er (Anm. Staat) enteignet Spielräume privaten Lebens und privater Handlungs- und Entscheidungsräume.

Man kann eben Nächstenliebe und Empathie nicht anonymisieren, nicht kollektivieren, ohne dass sie ihren Charakter verlieren.

Der ängstliche Egoist als natürliches Ergebnis des Wohlfahrtsstaates

Wer immer nur nähme und niemals gäbe, wird irgendwann selbst den treuesten Freund verlieren. Diese Form des Egoismus bezeichnet die Psychologin Doris Wolf als „ungesund egoistisch“. Diesen Menschen sei es egal, wenn andere durch ihr Verhalten benachteiligt werden.

Der umverteilende Staat muss soziale Kälte erzeugen

Die sog. Antidiskriminierungs- oder Gleichstellungspolitik greift den Kern liberaler Freiheit an (Kenneth Minogue). Dies bedeutet im Ergebnis nicht nur soziale Kälte, sondern auch soziale Entwurzelung und die ausschließliche Bindung an einen Staat, der auch als Wohlfahrtsstaat und als „Leistungsstaat“ Machtstaat sein muss. Denn er stützt seine Maßnahme im letzten auf administrativen Zwang.

Begriffliche Verwirrung

Der zeitgenössische Wohlfahrtsstaat verbirgt die administrative Kälte seiner Maßnahmen in einer sozial „warmen“ Begrifflichkeit, die aus der Sphäre der Gemeinschaft und Kleingruppen stammt. „Generationen“, „Ethik des Teilens“, „Teilhabe“, „moralische Pflichten“, „Menschnwürde“, „Freiheit von Not“ …

Über soziale Wärme im Sozialismus

Der untergegangene Staatssozialismus der DDR war der Inbegriff höchster sozialer Kälte.

Was wird aus dem Menschen?

Mangels Eigentätigkeit, Eigenerfahrung und Eigenverantwortlichkeit, mangels herausfordernder Situationen des Kampfes und der Bewährung, mangels Ehrgeiz muss er zunehmend innerlich verarmen, verharmlosen, ja verdummen. Sarkastisch sprach Konrad Lorenz einmal von der „Verhausschweinung“ des Menschen.

Wilhelm Röpke (1899 – 1966): Verlassen auf Staatshilfe in allen Notlagen schwächt Nächstenliebe“

Keine gute Zukunft mit dem Wohlfahrtsstaat

Die angeblich soziale Wärme des sozialen Staates vertreibt oder schwächt:

  • individuelle Energie,
  • unternehmerischen Sinn und
  • Lust an Eigeninitiative,
  • individuelle Moral,
  • Mitmenschlichkeit,
  • ja Selbstvertrauen,
  • Elan vitale und
  • Lebensfreude, verscheucht
  • private Philanthropie aus der Gesellschaft.

Glück, sagt Manes Sperber, ist eine Überwindungsprämie.

Fazit

Es gibt keine vertretbare Alternative zum Kapitalismus.

Wo wir hinkommen müssen

Zusammenfassung